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Das Wort des Rabbiners zu Pessach 5777

27/6/2017

 
Pessach ist „Zeman Cheruteinu“ – das Fest unserer Freiheit! - „Rabbi Jehoschua, Sohn des Levi, sagte: Und es steht geschrieben über die Gesetzestafeln [2. Mos. 32,16]: Gott hatte sie selbst gemacht und selber die Schrift eingegraben. - Du sollst aber nicht Charuth lesen, was ' (Schrift) eingegraben' bedeutet, sondern du sollst Cheruth lesen, was 'Freiheit' bedeutet, denn ein Freier ist nur, wer das Gesetz (die Tora) erforscht. Wer das Gesetz erforscht, wird auch erhöht ...“ (Mischna, Sprüche der Väter, Kapitel 6).
Pessach fordert uns noch immer dazu auf, zu unserer persönlichen sowie zu unserer kollektiven Freiheit  als Jüdische Gemeinde zurückzukehren!
     Zu unserer Nacherzählung des Auszugs aus Ägypten an Pessach gehört auch die Erinnerung an den Auszug aus den Gruben der Schoa. In der LJGH zu Hamburg erinnern wir an die Geschichte des Israelitischen Tempels in Hamburg!  Die Gemeinde dieser Tempelsynagoge  hat statt der Opfertheologie, die sich im Zentrum des alten Tempels vor 2000 Jahren verbirgt, die Theologie der inneren Erneuerung  und Selbstverwirklichung weiter entwickelt, die Theologie der Menschlichkeit und der Mitmenschlichkeit. Vierhundert jüdische Kinder haben diesen israelitischen Tempel in der Oberstrasse 120 sogar in der schrecklichen Nazi-Zeit besucht. Eine von ihnen, die Zeitzeugin Eva Stiel erzählt darüber: „Wir haben, wie die ersten liberalen Juden, unsere Glaubenshaltung aus der Welt des Zweifels gewonnen. In der Auseinandersetzung mit dem Alten haben wir sehen und urteilen gelernt. Jeder neue Schritt verlangt von uns Selbständigkeit im Denken und Entscheiden. Würden wir diese Selbständigkeit aufgeben und stattdessen uns blind und kritiklos der Tradition überliefern, so würden wir das Beste in unserem Tun aufgeben, nämlich die innere Lebendigkeit und Ehrlichkeit. Wir wollen nur das von der Tradition übernehmen, was wir als ganze Menschen mit Verstand und Herz verwirklichen können. Wie groß die Auswahl des Übernommenen sein wird, können wir heute noch nicht übersehen. Fest aber steht, dass wir nicht ohne eigene innere Anteilnahme nachahmen wollen, was nur die alte Erstarrung, die die ersten Begründer bekämpften, mit sich bringen würde.  Hier ist endlich der Platz, zu sagen, was uns von den Tempelgründern trennt und was uns mit ihnen verbindet. Das Neue und Trennende ist der wiedererwachte Glaube an den lebendigen Gott der Bibel und die höhere Wertschätzung der jüdischen Tradition. Was uns mit ihnen verbindet, ist unsere innere Selbständigkeit der Tradition gegenüber, und das wollen wir als ein Vermächtnis aufnehmen und weiterpflanzen“.[1]
    Die liberalen Juden versuchen nach der Shoah, nach Hamburg zurückzukehren, um diesen Weg als ganze Menschen mit Verstand und Herz fortzusetzen.  Wer die Thora mit offenen Augen erforscht, der weiß, dass der Weg zur persönlichen Freiheit durch die Beziehung zwischen den Menschen verläuft. Dafür brauchen wir unsere lebendige liberale jüdische Gemeinde zu Hamburg!
Wer lernt, jeden Tag seine Mitmenschen mit Liebe und Würde zu behandeln, der wird von Gott erhöht:
„Was wir an unseren Mitmenschen tun, ist Gottesdienst“ (Leo Baeck).
Das ist auch das Grundprinzip für die liberale jüdische Gemeinde zu Hamburg. Aber dieser Weg ist heute nicht einfach: die antidemokratischen Kräfte, sowohl in der  äußeren Gesellschaft als auch unter Juden, versuchen, die LJGH zu versklaven oder sogar zu eliminieren. Das ist keine Überraschung für uns, wenn wir nüchtern die  allgemeine Situation beobachten: die ganze Welt leidet wieder unter dem Terror der Unmenschlichkeit, der versucht, andere Menschen zu erniedrigen und zu vernichten.  Jeder selbstgebastelte Machthaber der verschiedenen religiösen Gemeinschaften  kann diese Welle nutzen, um die religiösen Gefühle seiner Mitmenschen für seine politischen Zwecke zu missbrauchen. Aber die Geschichte von Pessach, und besonders diese Geschichte, die uns die Kinder des Hamburger Israelitischen Tempels  erzählen, fordert von uns, keine Angst vor den kleinen und großen selbsternannten „Pharaonen“ zu haben, sondern „unsere innere Selbständigkeit gegenüber der Tradition weiterzupflanzen“ und so zusammen unsere Würde und Freiheit zu schützen!
  In dieser schwierigen Zeit können wir unsere Mitmenschen in der LJGH mit noch größerer Aufmerksamkeit und Würde behandeln, um damit einen ständigen Widerstand gegen die Welle der Unmenschlichkeit zu leisten.

 „Haltet zusammen! Gebt euren Glauben nicht auf!“
Lassen Sie nicht zu, dass unsere LJGH mit den Füßen getreten wird. Wir sind kein „Russischer Klub“, wie einige Personen, die es lieben, Laschon ha-Ra unter Menschen zu verbreiten, es schon vielen Jahren sagen. Wir sind liberale moderne Jüdinnen und Juden aus verschiedenen Ländern mit verschiedenen Sprachen und Erfahrungen,  aber wir alle haben etwas gemeinsam: Wir sind alle aus den Gruben der Schoah herausgekommen, aus den Gruben der Unmenschlichkeit, und wir werden nie wieder in diese Gruben zurückgehen! Deshalb sollen wir jetzt zusammenhalten und unseren jüdischen liberalen Glauben nicht aufgeben!
    Liebe Freunde, ich wünsche Ihnen ein fröhliches und freies Pessach, und ich freue mich, mit Ihnen den Pessach-Seder zu feiern und Sie dann am Pessach–Schacharit  zur Thora aufzurufen!
Liberaler Landesrabbiner Dr. Moshe Navon der LJGH für Hamburg.
 
[1]  Andreas Brämer, Judentum und religiöse Reform: Der Hamburger Israelitische Tempel 1817 - 1938, S. 86 – 87. 

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    „Was wir an unseren Mitmenschen tun, ist Gottesdienst“ — Leo Baeck

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